Lord Gerald Hugh Berners (1883-1950):
Amor und Psyche
Entstehungszeit: | 1939 |
Uraufführung: | 27. April 1939 in London (Sadler's Wells Theatre) Choreographie: Frederich Ashton Ausstattung: Sir Francis Rose |
Besetzung: | Orchester |
Bemerkung: | In seinem Ballett hält sich Lord Berners an die bezaubernde Dichtung des römischen Schriftstellers Apulejus, der wiederum aus griechischen Quellen schöpft. Die Musik versucht, den turbulenten Ereignissen zwischen dem himmlischen Cupid und der sterblichen Psyche mit konservativen Stilmitteln Spannung zu verleihen. Für diese Art von Humor war die Zeit vorbei – der zweite Weltkrieg stand vor der Tür. Es gab von dem Ballett nur vier Aufführungen. |
Art: | Ballett in drei Akten |
Libretto: | nach der antiken Erzählung des Apulejus |
Cupid: | geflügelter Liebesgott |
Venus: | seine dominante Mutter |
Psyche: | griechische Königstochter |
Weitere: | Psyches beiden missgünstigen Schwestern, Pan mit seiner Flöte, Hochzeitsgäste auf dem Olymp, Bevölkerung einer regionalen Hauptstadt |
An den Gestaden des Mittelmeers lebte zu alter Zeit ein griechischer Stadtkönig, der sich des Besitzes von drei Töchtern erfreute. Die beiden älteren Geschwister konnte man als gut aussehend bezeichnen, doch Psyche, die jüngste war so lieblich anzusehen, dass die jungen Leute sie auf den Schultern durch die Straßen trugen. Doch mit der Liebe hatte die Kleine nichts im Sinn. An Verehrung fehlte es ihr nicht, doch sie wies alle Freier lächelnd zurück. Ihre ablehnende Haltung erzürnte schließlich die Göttin Venus so sehr, dass sie nach ihrem Sohn Cupid ruft, um die Kleine zur Besinnung zu rufen. Der Liebesgott wird auch Amor genannt, die Engländer sagen einfach Cupid zu ihm. Hat die Göttin der Liebe der Undankbaren etwa deshalb die Gabe der Schönheit gegeben, damit die Naive ihr Geschenk missachtet und wenig damit anzufangen weiß?
Amor soll mit seinen Liebespfeilen dafür sorgen, dass die Nichtsnutzige die Sklavin einer unwürdigen Liebe wird. Gut, es ist seine Aufgabe, das Liebesleben der Menschen durcheinander zubringen und er beeilt sich, seiner Mutter zu gehorchen. Doch was geschieht? Der strahlende Götterjüngling ist selbst gegen die Liebe nicht gefeit und von dem außergewöhnlichen Liebreiz der Sterblichen entzückt.
Er hat sich unsichtbar gemacht, packt die Zappelnde und hält sie fest umschlungen. Seine Flügel breitet er aus und fliegt mit ihr über die Bergspitzen. Wunderschöne Blumen blühen in dem Tal, in welchem er sich mit ihr niederlässt. Hier darf sie immer auf ihn warten, bis er Zeit für sie hat. Die Zeit zwischendurch kann sie sich mit Eichhörnchennecken und Blumenpflücken vertreiben. Seine Mutter war noch nie hier und wird ihn mit seiner Beute vorerst auch nicht auskundschaften.
Als Liebling eines Gottes muss die Kleine natürlich eine vernünftige Unterkunft haben. Cupid zaubert ihr einen wunderschönen Palast herbei. Das Libretto gibt keine Auskunft, ob auch Dienstboten vorhanden sind. Kocht die Kleine selbst oder ernährt sie sich nur von Salaten und trinkt dazu frisches Quellwasser? Kalt ist es in der Bergeinsamkeit nicht und Zugluft herrscht auch nicht, denn der Dichter spricht von lieblichen Zephiren, die den ganzen Tag wehen.
Cupid selbst bleibt ständig unsichtbar, damit er von den Himmlischen beim zärtlichen Zusammensein mit Psyche nicht belauert wird. Nur im Schutz der Dunkelheit traut er sich zu ihr. Der kleine Gott gibt ihr nicht nur Liebe, sondern vereinbart mit ihr auch Konditionen. Sie soll nicht versuchen, sein Gesicht zu schauen oder an seinem Gefieder herumtasten. Für die Entfernung von Flöhen in seinen Federn sorgt die Mutter, und Milben gibt es nur in schlecht gelüfteten Betten. Sie muss nicht unbedingt wissen, welcher Beschaffenheit sein Äußeres ist. Unvorsichtige Neugier führe zum Desaster! Psyche verspricht es, denn die Liebe mit dem Liebesgott ist gar zu schön.
Nach einiger Zeit wird es Psyche auf der einsamen Berghöhe doch zu langweilig und sie sehnt sich ernsthaft nach der Gesellschaft ihrer Schwestern. Sie plagt den Liebesgott mit ihren Wünschen, bis er nachgibt. Den Zephiren gibt Cupid Weisung, sie bis vor die Stufen des väterlichen Palastes zu tragen. Über den unerwarteten Besuch ist die Familie seht erfreut. Man hatte sie vermisst, überall nach ihr gesucht und sich Sorgen gemacht, wo sie stecken könnte. Die schönen Kleider, die Psyche trägt, haben es den Schwestern angetan. Doch als diese fragen, wer der reiche Gönner ist, muss sie erklären, dass sie sein Gesicht noch nie gesehen hat. So lautet die Abmachung mit dem himmlischen Wesen, welches sie beschläft und beschenkt. Das ist aber merkwürdig! Der Neid regt sich in den Schwestern und sie versuchen, die Kleine zu verwirren. Wenn das göttliche Wesen seine Schönheit nicht zeigen möchte, ist es bestimmt ein Monster! Hat das Ungeheuer seine Lust ausreichend befriedigt, wird es die kleine Psyche bestimmt auffressen.
Die lieblichen Winde wehen in den Palast und holen Psyche wieder ab. Mit ihren Schleiern winken die Schwester hinterher und sind sicher, dass die Saat ihrer bösen Worte aufgehen wird. Gepackt von Furcht und Zweifel, hat Psyche die Ratschläge ihrer bösen Schwestern beherzigt und eine kleine Öllampe hinter dem Vorhang neben ihr Bett verborgen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Zur nächtlichen Stunde gießt die Neugierige Öl in die Lampe und entzündet den Docht. Von einem Monster kann überhaupt nicht die Rede sein. Es ist das süßeste, feinste Wesen selbst, welches schlafend auf der Chaiselongue liegt. Der Gott der Liebe hat sie mit ihrer Gunst beehrt! In Verzückung starrt Psyche auf seine tolle Figur. Die Flügel hat er zusammengefaltet und sich auf den Bauch gelegt. Sie beugt sich über ihn und passt nicht auf, als ein Tröpfchen heißes Öl aus der Lampe auf die Schulter fällt. Sowie der Tropfen ihn berührt, springt er auf. Bittere Vorwürfe macht er der Unvorsichtigen, schüttelt sein Gefieder, breitet die Schwingen aus und verschwindet wie ein Adler am fernen Horizont.
Psyche hat im Palast weiterhin Wohnrecht und wartet auf den Sinneswandel des holden Knaben. Doch sie weiß nicht, dass die Mutter ihm Hausarrest gegeben hat, um ihn für seinen Ungehorsam zu bestrafen. Schließlich macht sie sich zu Fuß auf, um ihn überall zu suchen, doch Venus grollt und macht der Kleinen das Leben unerträglich. Die glücklose Psyche ist Versuchung und Verfolgung ausgesetzt. Schließlich erträgt sie ihr Los nicht länger und beschließt, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Von einem hohen Felsen will sie sich ins Meer stürzen. Doch es erscheint der Gott Pan, der ihre Klagen gehört hat und Mitgefühl zeigt. Er will versuchen, die Olympier auf ihr tragisches Los aufmerksam zu machen, damit die Gemeinschaft Venus überredet, von ihr abzulassen. Gern lässt er sich auf dem Olymp nicht blicken, weil seine Garderobe nicht vom Feinsten ist. Viel lieber sitzt er im Schilf und spielt Panflöte.
Götter haben ihre Allüren. Sie sind schnell gekränkt, aber auch schnell wieder zu versöhnen. Venus merkt, dass sie alle göttlichen Verwandten gegen sich hat und will sich die Stimmung nicht verderben lassen. Der eingeschränkte Hausarrest gegen Cupid wird aufgehoben und die Hochzeit mit Psyche angeordnet. Gefeiert wird im Olymp auf der Terrasse. Im Kreise seiner Musen singt Apollo zur Leier und Pan spielt auf seiner Flöte. Typischer Fall von Hausmusik! Sogar Venus selbst wagt ein paar Tanzschritte und muss Acht geben, dass sie nicht hinfällt, denn Ceres hat überall Blumen gestreut. Wie schön und bequem ist es, wenn verbotene Liebe legalisiert wird, freuen sich Cupid und Psyche.
Letzte Änderung am 2.8.2007
Veröffentlichung mit Zustimmung von musirony