Entstehungszeit: | 1938, orch. 1939 |
Uraufführung: | 21. Juli 1938 am Drury Lane Theatre in London mit dem Ballet de Monte Carlo Dirigent: Paul Hindemith Choreographie: Léonide Massine Bühnenbild und Kostüme: Paul Tschelistcheff |
Besetzung: | kleines Orchester orch: großes Orchester |
Spieldauer: | ca. 50 Minuten |
Verlag: | Klavierauszug ED 2786 (Paul Hindemith) |
CD: | [Details] |
Orchesterwerke Box 1 (CPO, DDD, 1987-1992) Paul Hindemith (1895-1963) A.Beaujean/NMZ 10/93: "Die drei australischenOrchester bleiben selbst den für amerikanischeVirtuosen-Ensembles geschriebenen Stückennicht an Intensität des Streicherklangs,an Glanz und brillanter Beweglichkeit desBlechs, an konzertantem Brio der Holzbläserschuldig...Als Ganzes eine imponierendeorchestrale wie dirigentische Leistung."A.K.W.Meyer/FonoForum 12/93: "Über die Werkfüllehinaus frappiert die Qualität, die dieaustralischen Orchester bieten."J.North/Fanfare 3/94: "Einige dieser Aufnahmenübertreffen alle früheren, sogar solche mit demPhilharmonia Orchestra oder den BerlinerPhilharmonikern unter der Leitung des Komponistenselbst." |
Art: | Tanzlegende in sechs Szenen |
Libretto: | Paul Hindemith und Léonide Massine |
Pietro Bernadone: | ein Tuchhändler |
Franziskus: | sein Sohn |
Allegorie der Armut: | eine Erscheinung |
Allegorie der Keuschheit: | eine Erscheinung |
Allegorie des Gehorsams: | eine Erscheinung |
Weitere: | Soldaten, Wanderer, Bettler, Bauern, junges Volk, ein Ritter, ein Wolf |
ERSTES BILD
Wie viele jungen Leute, möchte auch Franziskus das wohlhabende Elternhaus verlassen und in die weite Welt ziehen. Ein Ritter überredet ihn, sich ihm und seinen Soldaten anzuschließen. Unterwegs überfallen diese harmlose Wanderer und plündern sie aus. Franziskus fühlt sich abgestoßen und quittiert die Gefolgschaft.
ZWETES BILD
Mit sich allein, sucht er das Zwiegespräch mit Gott und bittet um Erleuchtung, weil er nun nicht weiß, was er mit dem Rest seines jungen Lebens anfangen soll. So wie einst Paris drei Göttinnen erschienen, die von ihm wissen wollten, wer die Schönste sei und wer den goldenen Apfel bekommen soll, schickt der Himmel ihm in einer Traumvision drei weibliche Gestalten. Allerdings sind es keine huldvollen Göttinnen, auch keine Grazien, sondern einfach gekleidete Frauen, die sich mit ihm vermählen möchten, zwischen denen er sich nun zu entscheiden hat. Das Angebot ist nicht verlockend. Die drei stellen sich folgendermaßen vor. Gestatten: Frau Armut, Frau Keuschheit, Frau Gehorsam.
Keusch bleiben möchte der Jugendliche nur ein bisschen, gehorchen will er überhaupt nicht, vor allem nicht dem Vater, bleibt nur der Verzicht auf Reichtum.
DRITTES BILD
Der Vater freut sich, als der Sohn wieder heimkehrt und veranstaltet ihm zu Ehren ein Fest. Schließlich soll der Spross einmal sein Geschäft erben, und die Freundin, die er mitgebracht hat, ist ihm auch recht. Er kann sicher sein dass die bescheiden Auftretende das angehäufte Vermögen nicht für Luxusgüter ausgibt. Ganz geht seine Rechnung nicht auf, denn Franziskus möchte den Gewinnüberschuss getreu seinem Gelübde an die Armen verschenken. Hierüber gibt es Streit, und der Vater haut ihm eine herunter. Trotzig wirft der Heranwachsende dem Alten seine vornehmen Kleider vor die Füße und verlässt das Haus.
VIERTES BILD
Weitab von seinem Heimatort hält Franziskus Rast auf freiem Feld und schaut den Landwirten bei der Arbeit zu. Ein Wolf kommt gerannt und will sich zähnefletschend eine Mahlzeit holen. Franziskus spürt eine innere Kraft und hat das Bewusstsein, mit dem wilden Tier Kontakt aufnehmen und einen inneren Dialog führen zu können. Der Wolf macht kehrt und bleibt hungrig, während die dankbaren Bauern den mutigen und bescheidenen Burschen zum Abendessen einladen.
FÜNFTES BILD
Die Hochzeit von Francesco mit Madonna Povertá wird in aller Bescheidenheit, ohne Aufwand an Geselligkeit, nur mit Wasser und Brot gefeiert. Sie bildet das Finale des Balletts. Jugendliche haben oftmals seltsame Vorstellungen von ihrem Glück. Geistiger Reichtum sind wichtiger als materielle Güter - wo findet sich heute noch eine solche tugendhafte Einstellung?
Die Idee zu einem tänzerischen Mysterienspiel stammt von Léonide Massine anlässlich eines Besuches der Kirche San Croce in Florenz. Sechs Bilder des gotischen Malers Giotto di Bondone (1266-1337) stellen Episoden aus dem Leben des Heiligen Franziskus von Assisi dar.
Paul Hindemith, der sich schon öfters mit religiösen Themen auseinandergesetzt hatte, konnte für das Projekt einer choreografischen Darstellung der Franziskuslegende sofort begeistert werden. Er schuf eine Musik, differenziert und melodisch, gemäßigten Stils, der mystischen Hochzeit mit Frau Armut angemessen.
Frei übersetzt könnte man den Titel Nobilissima Visione „Edelmütige Einsichten“ oder auch „Holde Einfalt“ nennen, würde dann aber den choreographischen Möglichkeiten und der sorgsamen musikalischen Ausarbeitung Hindemiths nicht gerecht.
Letzte Änderung am 19.4.2007
Beitrag von Engelbert Hellen