Die vier Temperamente
Entstehungszeit: | 1946 |
Uraufführung: | 20. November 1946, Central High School of Needle Trades, New York Choreographie: George Balanchine Ausstattung: Kurt Seligmann Beleuchtung: Jean Rosenthal |
Besetzung: | Klavier und Orchester |
Die Bühne ist dekorationslos, der Hintergrund wird unterschiedlich ausgeleuchtet. Musikalisch wird das „Thema mit Variation für Klavier und Streichorchester von 1940“ verwendet. Paul Hindemith war ein Freund antiker und mittelalterlicher Medizin und Philosophie. Diese teilt den Menschen in vier Klassen ein, die sich in unterschiedlichem Temperament äußern. Die Körpersäfte sind es, die das menschliche Wesen steuern. Es sind das Blut, der Schleim, die schwarze Gallenflüssigkeit und die gelbe. Die entsprechenden Farben dienen der Abstimmung der Trikots für die Tänzer.
Der erste Satz, als Thema bezeichnet, hat lediglich vorbereitenden Charakter. Im zweiten Satz dominiert der Melancholiker. Er ist immer traurig und nachdenklich, weil seine Galle schwarzen Saft produziert. Wenn ein Mensch hyperaktiv und heiter ist, bezeichnet man ihn als Sanguiniker. Das rote Blut wird ihm als Merkmal zugeteilt. Der Phlegmatiker gibt sich passiv und schwerfällig. Das hängt mit seinem Schleim zusammen, der sich langsam kriechend durch den vierten Satz windet. Den Abschluss bildet der Choleriker, der ständig unter Dampf steht und dem die Galle ständig hochkommt. Dabei produziert sie In viel zu hohem Masse gelbe Säfte.
Diese Weisheiten stammen von Hippokrates von Kós, der von 460-375 v.Chr. lebte. Der Schwiegersohn Polybos hat die Viersäftelehre in seiner Schrift „Die Natur des Menschen“ fixiert. Galenus von Pergamon stellte den Bezug zwischen Saft und Tempo her. Im Mittelalter hat man noch astrologische Einflüsse zugepackt, um den Charakter eines Menschen ein wenig zu differenzieren und zu begründen. Überraschenderweise weist das zwanzigste Jahrhundert diese frühen Erkenntnisse nicht zurück.
Ganz anders verhält sich der Choreograph Balanchine. Ihn kümmern die Körpersäfte seiner Tänzer überhaupt nicht und verfährt, was die Soli und die Variationen der Bewegungsabläufe im Ballett angeht, ganz nach Gutdünken und optischer Wirksamkeit. Dadurch wirkt der Titel des Balletts, welches ohnehin keinerlei Handlung ausweist, ein wenig fragwürdig.
Letzte Änderung am 19.4.2007
Beitrag von Engelbert Hellen