Entstehungszeit: | 1881 |
Uraufführung: | 11. Januar 1881 an der Mailänder Scala |
Besetzung: | Orchester |
Spieldauer: | ca. 120 Minuten |
Erstdruck: | Mailand: Ricordi, 1881 ? |
Art: | Ballett in 2 Teilen und 11 Szenen |
Libretto: | Luigi Manzotti |
Licht: | Inkarnation des Guten, weiß gekleidet |
Obscurantismus: | Herr der Finsternis, schwarz gekleidet |
Zivilisation: | Allegorie der Erdbevölkerung |
Sklave: | bevorzugter Partner der Zivilisation |
Thunderbolt: | Dame in blau, im Telegrafenamt unentbehrlich |
Inderin: | Bajadere, Attraktion bei den Einweihungsfeierlichkeiten des Suezkanales |
Weitere: | und viele andere |
Die Tanzshow beginnt mit dem Vortrag eines Rezitanten, der eine kurze Vorschau auf den Reigen der nächsten zwei Stunden abgibt. Die begleitenden Szenenausschnitte sollen neugierig machen. Ein Vorspiel stellt die Leitmotive vor und die beiden Kontrahenten Licht und Finsternis zeigen durch wilde Sprünge und abweisende Gebärden an, dass sie sich nicht wohl gesonnen sind.
Der Gazevorhang hebt sich und ein gewaltiges Spektakel an bunt schillernden Darstellern, unterstützt durch die jubilierenden Klänge des Orchesters, verbreitet den Optimismus, der die Menschen zu Beginn des technischen Zeitalters bewegte und die Erwartungen, die der Fortschritt bringen soll. Die einzelnen Bilder des Balletts illustrieren, was man bisher vorzeigen kann: Die Fahrt eines Dampfschiffes, den Bau einer Eisenbahnbrücke, die Durchbohrung eines Tunnels und den Triumph der Elektrizität.
Die Einweihungsfeierlichkeiten des Suezkanals im achten Bild mit vielen Divertissements, wie man es aus anderen zeitnahen Ballettaufführungen kennt, sind das Kernstück des bunten Reigens. Jongleure, Haremsdamen, trippelnde Chinesen, ein leichtgeschürzter athletischer Sklave, den sich die „Zivilisation“ auserkoren hat und ein goldbetresster Aufsichtsbeamter lösen einander ab. Selbst der Khedive, der bei Herrn Verdi die Oper Aida zur Krönung der Feierlichkeiten in Auftrag gegeben hat, trägt eine rote Bauchbinde und wagt ein flottes Tänzchen.
Das Gegenstück zur Kanalszene, vorzüglich choreographiert, zeigt eine Karawane in der Wüste, die von einem Sandsturm überrascht wird und von Räubern überfallen wird.
Besonders neckisch das Stutenballett im letzten Bild. Die Schimmelchen hüpfen im Galopp und tragen die amerikanische Standarte, denn der wahre Fortschritt kommt aus Amerika.
In den Mythen der Völker des alten Iran und in den Comic-Heftchen kämpfen das Gute und das Böse gegeneinander, was das Zeug hält. Spielwiese ist Mutter Erde, auf der die Menschen - Objekt des Zwistes der beiden Prinzipien - sich streiten oder amüsieren.
In dem Ballett Excelsior trägt das Gute weißen Tüll, macht die Luftsprünge und dreht die Pirouetten, während Herr Satanicus im schwarzen Trikot mit aufgemaltem Skelett - Spiderman lässt grüßen - mehr für die Bodenübungen zuständig ist.
Zur damaligen Zeit, Ende der achtziger Jahre, glaubten die Menschen an den Zeitgeist und an den Segen, den der Fortschritt bringen wird.
Obskurantismus, das Prinzip des Bösen, hat einen schweren Stand, nicht alle Störmanöver gelingen, obwohl Herr Satanicus sich redlich abmüht und mit grimmiger Miene gestikuliert. Im Labor von Mister 1000 Volt verbrennt er sich sogar die Finger! Alle Untaten muss der Herr des Bösen selbst aushecken und ausführen, während die Inkarnation des Lichts sich in der Gunst der Massen sonnt und eine bunte Revue beaufsichtigt, die dem Zuschauer alles bietet, was ein guter Ausstatter zu geben vermag. Die Ballettmädchen zeigen alles, was sie von der Pike auf gelernt haben. Die Beine werden geschlenkert und angewinkelt, man geht auf die Spitze und dreht die Pirouetten. Die Herren in der hinteren Reihe tragen neckische Shorts und eine Libelle rupft wie verrückt an ihrer Harfe. Das nennt man Lebensfreude und der Inhalt der Ballettkomposition von Romualdo Marenke in der Präsentation von Luigi Manzotti handelt von nichts anderem.
In der heutigen Zeit ist der Spaß an Kostümierung und Bewegung nicht ausgestorben. Man bemüht keltische Frühlingsmythen, tanzt auf alte Volksweisen, und gibt noch einen Schuss Erotik als Zugabe, alles prächtig illuminiert. Der Entertainer Michael Flatley in seinem Tanzspektakel „Lord of the Dance” bringt, was die Menschen der Gegenwart antörnt, der Fortschritt ist uninteressant geworden.
Hat Obscurantismus den Kampf doch noch gewonnen und das Licht verdrängt? Man denke an den Atommüll als Resultat des Fortschritts. Das allzu grelle Licht soll abgeschaltet werden! Eine strahlende Zukunft ist allen suspekt!
Letzte Änderung am 30.7.2007
Beitrag von Engelbert Hellen