Sergei Sergejewitsch Prokofjew (1891-1953):
Leutnant Kische / Lieutenant Kijé / Lieutenant Kijé
Entstehungszeit: | 1934 |
Uraufführung: | 10. Februar 1963 in Moskau (Bolschoi Theater) Choreographie: Alexander Lapuri und Olga Tarasowa |
Besetzung: | Orchester |
Spieldauer: | ca. 30 Minuten |
Bemerkung: | Obwohl die Satire der Schärfe nicht entbehrt, sollte der Ballettbesucher den Beamten, die gezwungen sind, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen, wie auch dem Zaren, dem das Missgeschick passierte, Verständnis und Wohlwollen entgegenbringen. Väterchen Zar gibt sich milde und nachsichtig, während die Administration missbräuchlich ihre Möglichkeiten nutzt, um Schärfen nicht aufkommen zu lassen. Schaden entsteht nicht, aber beide Kontrahenten fordern Spott heraus und müssen vor der öffentlichen Meinung Federn lassen. |
Art: | Ballett in einem Akt |
Libretto: | Andrej Weizler und Alexander Mischjarin nach Juri Tinjanows gleichnamiger Erzählung |
1. Naissance de Kijé: Andante Assai
Um es gleich vorwegzunehmen, einen Leutnant Kijé, den man als Lebewesen betrachten könnte, gibt es beim besten Willen nicht. Trotzdem ist er im Geburtenregister zu finden; umständehalber wurde er dort hineingeschmuggelt. Der Zar - es handelte sich um Paul I. - glaubte, von seiner Existenz gehört zu haben und hatte sich in den Kopf gesetzt, ihn mit Lorbeeren zu bekränzen.
Ursache des Missverständnisses war eine sprachliche Ungereimtheit. In dem Heeresbericht, der dem Zaren vorgelesen wurde, fielen die Worte „Porutschiki je“. Paul hatte nicht richtig hingehört und verstand „Porutschik Kije“. Ein bisschen borniert blieb der Zar bei dem, was sein Ohr vernommen hatte. Es hatte sich stets als unklug erwiesen, dem Herrscher zu widersprechen, denn Opposition galt als Straftat. Soll der Herrscher aller Reußen doch seinen Willen bekommen! Also erfinden die Administratoren einen Menschen, der auf dem Papier so heißt, wie der Zar es gern hätte.
Jetzt muss das Wesen nur noch mit Leben gefüllt werden. Damit dem Zaren die Möglichkeit geboten wird, dem Phantom Ehrungen und Orden zukommen zu lassen, werden unablässig Heldentaten erfunden.
2. Romance: Andante - Allegretto Andante - come prima
Leutnant Kijé glänzt aber nicht nur auf dem Feld der Ehre, auch in der Liebe muss er seinen Mann stehen. Eine romantische Liebesgeschichte wird ihm angedichtet.
3. Noces de Kijé: Allegro fastoso
Die Moral fordert, dass die Beziehung legalisiert wird. Man feiert Hochzeit. Der Wodka, den der Zar zur Feier des Tages genehmigt, passiert in Strömen die Kehlen seiner Untertanen.
4. Troika: Moderato - Allegro con brio - Moderato, come prima
Dem phantastischen Leutnant werden nicht nur Heldentaten nachgesagt, sondern auch Fehlschläge zugeschoben. Das hat zur Folge, dass Väterchen Zar - den Umständen gehorchend - sich gezwungen sieht, seinen Favoriten ins landschaftlich reizvolle Sibirien zu verbannen. Doch weit kommt der Schlitten mit den drei vorgespannten Pferden nicht, denn eine Hofdame klagt, dass ihr Baby, welches sie erwarte, nun keinen Vater haben wird. Also wird der Verbannte zurückgerufen.
5. Enterrement de Kijé: Andante Assai - Allegro moderato - Andante assai
Neue Ehrungen sollen den Ankömmling bei Hofe erwarten. Diesmal wünscht der Zar den zukünftigen General persönlich kennenzulernen. Das geht natürlich zu weit! Also stirbt der Leutnant auf dem Feld der Ehre den Heldentod für das Vaterland. Von der Bürokratie wird die Sterbeurkunde ausgestellt.
Wie schade! Die Trauer der Höflinge hinter dem prunkvollen aber inhaltslosen Katafalk ist echt, denn Leutnant Kijé war zu vielem zu gebrauchen. Seine Stiefel waren so groß, dass man jede Menge Schandtaten hineinschieben konnte.
Letzte Änderung am 26.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen