Die Tochter des Pharao / The Pharaoh's Daughter / La Fille du Pharaon
Entstehungszeit: | 1862 |
Uraufführung: | 18. Januar 1862 in St. Petersburg |
Besetzung: | Orchester |
Art: | Ballett in 3 Akten und sieben Szenen mit einem Prolog und einem Epilog |
Libretto: | Jules-Henri Vernov de Saint-Georges und Marius Petipa nach Théophile Gautier: “Le Roman de la Momie“ |
Ort: | Pseudo-Ägypten |
Zeit: | vor unserer Zeitrechnung (Prolog und Epilog in der Gegenwart) |
Aspicia: | Tochter des Pharao |
Ramze: | Freundin Aspicias |
Ta-Hor / Lord Wilson: | Geliebter Aspicias |
Passifont / John Bull: | sein Diener |
Weitere: | Pharao, König von Nubien, König des Unterwasserreichs, schwarzer Sklave, Hofstaat, eine Kobra, ein Löwe, ein Affe |
Lord Wilson und sein Butler John Bull sind in Ägypten unterwegs und werden von einem Sandsturm überrascht. Mit anderen Reisenden flüchten sie in eine kleine Pyramide, in welcher der Fremdenführer ihnen den Sarg einer Mumie zeigt. Angeblich sei sie einst die Lieblingstochter des Pharao gewesen. Um sich die Zeit zu vertreiben, raucht man ein wenig Opium. Die beiden Europäer lassen sich verleiten, nehmen ein Pfeifchen und fallen in Halluzination.
Die Mumie hat sich ausgewickelt und ein schickes Ballettröckchen angezogen, um den beiden Engländern zu gefallen. Es ist tatsächlich Aspicia, die Tochter des Pharao, dazu noch mit magischen Kräften begabt. Sie legt ihre Hand auf den Körper der Fremden, und unter dem Einfluss des Opiums bekommen die beiden Globetrotter gar nicht mit, dass sie eine Zeitreise in die Vergangenheit antreten und sich leicht bekleidet im Alten Ägypten als Ta-Hor und Passifont wiederfinden.
Am Anfang der Liebesbeziehung von Ta-Hor und Aspicia steht eine Heldentat. Obwohl der Hofstaat mit Pfeil und Bogen ausgestattet ist, bleibt es Ta-Hor vorbehalten, die Pharaonentochter vor der Fresslust eines Löwen zu bewahren.
Aus Dankbarkeit nimmt sie den Fremden mit nach Hause und stellt ihren Lebensretter vor. Ablehnung und Anerkennung folgen im Wechsel. Als Belohnung für den Helden hält die Gerettete Liebesgunst bereit. Wie ärgerlich, dass der Vater sie schon dem König von Nubien versprochen hat. Die Flucht der beiden aus dem Pharaonenpalast durch eine Geheimtür ist die Lösung. Der Zorn des Pharao kennt keine Grenzen, und die Feierlichkeiten werden abgebrochen. Der verschmähte Bewerber entdeckt den Fluchtweg.
Der Geprellte spürt die Entwichenen in einer Fischerhütte auf. Nein, Aspicia möchte den Nubier nicht heiraten. Drohungen nutzen absolut nichts. Trotzig stürzt sich die Widerspenstige in den Nil, um ihr Leben zu beenden.
Glück im Unglück! An der Absturzstelle befindet sich auf dem Grund des Nils der Palast des Herrschers über das Gewässer. Er freut sich über den hohen Besuch und lädt die Ströme der Erde als Gäste ein, denn er möchte zu Ehren der Prinzessin ein Fest geben. Fesche Tanzpartner reichen die Pharaonentochter im Kreis herum, werfen sie sich zu oder in die Luft. Der Geliebte und das Vaterland sind einstweilen vergessen. Es macht Vergnügen, so viele Verehrer zur gleichen Zeit zu haben und von ihnen herumgewirbelt zu werden. Doch irgendwann hört jeder Spaß auf, und der Ausreißer möchte wieder nach Hause. Der freundliche Nilkönig stellt eine Muschel als Taxi nach oben kostenlos zur Verfügung.
Szenenwechsel:
Ta-Hor ist in Bedrängnis geraten. Kommt Aspicia nicht bald heim, soll er von einer Schlange totgebissen werden. So befiehlt es der ergrimmte Pharao. Die Kobra hat ihren Wohnsitz in einem Pflanzenkübel. Da die Behausung sehr eng ist und es sich nicht richtig winden kann, ist das Reptil ausgesprochen aggressiv. Einen schwarzen Sklaven, der sich zu Füßen der Vase nun in Schmerzen windet, hat es durch unverhofftes Vorschnellen im Genick erwischt und tödliches Gift eingespritzt. Ta-Hor sieht, was ihm blühen kann, doch das Schicksal ist ihm wohlgesonnen.
Unverhofft tanzt die Geliebte herein, und der glückliche Pharao fängt die tot geglaubte Tochter in seinen Armen auf. Sie behauptet, der Nubier habe sie ins Wasser geworfen, und wenn man sie zwingt, ihn zu heiraten, wird sie sich von der Schlange, die aus dem Pflanzenkübel hervorlugt, beißen lassen. Eine solche gewaltige Drohung rührt das Herz des Pharao, und er gibt die Zustimmung zur Verbindung zweier Herzen, die sich in Liebe gefunden haben. Der Nubier wird nach Hause geschickt, nachdem dieser den Ehekontrakt aus Wut zerrissen hat.
Eine Wolke kommt herbei und entführt die Liebenden zu Osiris in den Himmel.
Bevor sie dort ankommen, trennt das Schicksal das Paar. Ta-Hor beendet durch fremde Gewalteinwirkung seine Zeitreise und ist wieder Lord Wilson. Zu seiner Überraschung findet er auch seinen Diener in der Pyramide wieder. Der Opiumrausch hat sich verflüchtigt, und die Mumie ist an ihren Platz zurückgekehrt.
Der überwältigende Erfolg der Uraufführung war vor allem der grandiosen Ausstattung zuzuschreiben. “Die Tochter des Pharao“ stand in der Gunst des Publikums ebenbürtig neben der „Bajaderka“ von Ludwig Minkus. Die „Aspicia“ war die Lieblingsrolle der Ballerina Matilde Kschessinskaja. Anna Pawlowa kreierte die Partie in der Moskauer Erstaufführung. Seit 1928 wurde es still um das Ballett.
Die Ursachen sind nachvollziehbar. Die Komponisten Prokofiew, Strawinski, Ravel und andere warteten mit ihren Produktionen auf, die dem Hörer eine ganz neue Klangwelt offenbarten. Die Musik Cesare Pugnis – damals hochgelobt - kann man aus heutiger Sicht bestenfalls als anmutig bezeichnen. Trotzdem ist es zu begrüßen, dass das Moskauer Bolschoi-Theater die Produktion neuerdings wieder ins Programm genommen hat.
Arenskis „Ägyptische Nächte“ haben mit dem Libretto und der Musik Pugnis nichts gemeinsam.
Letzte Änderung am 26.2.2017
Beitrag von Engelbert Hellen