Anlass: | Auftrag des Sadler's Wells Royal Ballet London |
Entstehungszeit: | 1989 |
Besetzung: | Orchester |
Bemerkung: | Die Worte "Hobson's Choice" sind nicht nur der Titel dieses Balletts, sondern haben im englischen Sprachraum zusätzlich die Bedeutung einer Wahl, bei der man eigentlich gar keine Wahl hat. |
Art: | Ballett in drei Akten |
Libretto: | Libretto nach der Komödie von Harald Brighouse (1882-1958) |
Ort: | eine nordenglische Kleinstadt |
Zeit: | im viktorianischen Zeitalter |
Henry Hobson: | Inhaber eines Schuhgeschäftes |
Maggie Hobson: | seine älteste Tochter |
Will Mossop: | sein tüchtiger Gehilfe |
Vickey Hobson: | seine zweite Tochter |
Fred Beenstock: | ihr Verehrer |
Alice Hobson: | seine dritte Tochter |
Albert Prosser: | ihr Verehrer |
Mrs. Hepworth: | eine wohlhabende Kundin |
Erste Szene: Der betrunkene Hobson betritt sein Geschäft
Zweite Szene: Am Morgen
Dritte Szene: Die reiche Dame
Vierte Szene: Hobson und die Verehrer seiner Töchter
Fünfte Szene: Will Mossop und seine Schuhe
Mr. Hobson ist Inhaber eines gutgehenden Schuhgeschäftes in einer nordenglischen Kleinstadt und Besitzer von drei heiratsfähigen Töchtern. Eine Hausherrin gibt es nicht! Es kann die Ursache sein, weshalb der Familienvater dem Alkohol hoffnungslos verfallen ist. In der Nacht hat er in seinem Lieblingspub seiner Sucht gefrönt, und als er am frühen Morgen seinen Laden betritt, greift er mit zitternder Hand sogleich wieder zur Whiskykaraffe. Mit schaukelndem Gang und gerötetem Gesicht geht es die Stiege hoch, kritisch beobachtet von der ältesten Tochter Maggie. Ein Drahtseilakt wirkt ungefährlicher als Hobsons Weg zu seinem Bett.
Aber es verhält sich nicht so, dass es im Haushalt der Hobsons ohne englischen Humor abgeht. Das Stück, welches den Theaterbesucher erfreuen soll, ist schließlich eine Ballettkomödie, in der Frohsinn unerlässlich ist und Wortwitz durch kühne Akrobatik ersetzt wird. Dafür sorgen die beiden ständigen Begleiter der Schwestern Vickey und Alice. Fred und Albert schleudern die Angebeteten nach Herzenslust herum, von der Waagerechten geht es in die Senkrechte und zuweilen stehen die Damen sogar Kopf. Die Ladenfläche bietet eine vorzügliche Plattform für Temperament und Schwung. Die Röcke fliegen hoch, so dass der Betrachter jede Menge viktorianischer Unterwäsche zu sehen bekommt. Nun, die Jugend tobt sich aus. Spaß ist erlaubt, Heiraten dagegen verboten, denn der tyrannische Vater möchte, dass die Töchter im Hause bleiben, um sich um das Geschäft zu kümmern. Ein angenehmes Leben in Fürsorge und Unterwürfigkeit erfordert ständigen Bereitschaftsdienst.
Was ist nun mit Maggie? Hat sie keinen Verehrer? Maggie ist von den drei Mädchen die Klügste, denn sie hat den tüchtigen aber schüchternen Gehilfen ins Auge gefasst. Dieser möchte am liebsten nur Schuhe reparieren und weiß nicht so recht zu reagieren, wenn Maggie versucht, ihn in die richtige Richtung zu drehen. Dabei tanzt er genau so gut wie die beiden leichtlebigen Liebhaber von Vickey und Alice, allerdings am liebsten dreht er sich solo mit ein paar Schuhen in der Hand.
Die erste Bekanntschaft mit Will machte das hochverehrte Publikum, als sich die Bodenluke mit einem Ruck öffnet und sein Kopf zum Vorschein kommt. Die Werkstatt befindet sich nämlich unterhalb des Ladens im Tiefparterre des Hauses. Das hat den Vorteil, dass Will bei der Anprobe von Schuhen niemals niederknien muss, sondern aufrecht auf der Kellertreppe stehend wendet er seinen Kopf in Augenhöhe den lederbewehrten Füßen von Mrs. Hepworth zu. Unerlaubte Blicke unter den Rock riskiert Will Mossop nicht, der Chef kann sich auf ihn verlassen. Sollte im Falle schlechter Leistung dem Klienten einfallen, dem Schuhmacher kräftig auf den Kopf zu treten, purzelt dieser die Stufen hinunter. Strafe muss schließlich sein. An einen Gewaltakt denkt Mrs. Hepworth aber keineswegs, denn sie ist dem tüchtigen Jungen wohlgesonnen. Von seiner Arbeit begeistert, gibt sie ihm ein fettes Trinkgeld und steckt ihm ihre Visitenkarte zu. Sollte er eines Tages einmal in Not geraten, darf er sich an sie wenden. Bravo Mrs. Hepworth!
Sechste Szene: Sonntagnachmittag im Park
Siebte Szene: Zurück ins Geschäft
Achte Szene: Außerhalb des Geschäftes
Neunte Szene: Vor Fred Beenstocks Getreidespeicher
Am Sonntag zieht es die Bürger des Mittelstandes in den gepflegten Park. Ein schmiedeeisernes Gittertor erinnert daran, dass man sich an Öffnungszeiten zu halten hat. Die wenigen Parkbänke sind voll ausgelastet und die Besucher beeilen sich, den freien Platz einzunehmen, sobald sich jemand erhebt. Die Ladys sind der Mode entsprechend gekleidet. Damen, die von Natur aus nur einen flachen Steiß besitzen, lassen sich mit Maß und Zwirn aus gerafftem Textil ein künstliches Hinterteil anmessen. Hobsons Töchter haben solchen Ulk nicht nötig, sie wollen tanzen und ihre Verehrer auch. Wer ist sonst noch im Park auszumachen? Die Heilsarmee veranstaltet einen Umzug, die sittenstrengen Damen wettern auf einem Plakat gegen den Teufel Alkohol. Vater Hobson, dem eine solche Predigt Nutzen bringen könnte, ist nicht zu sehen. Aber zum Erstaunen der Besucher zeigt sich Will. Maggie möchte ihn zu einem Tänzchen verleitet, der ängstliche Geselle fühlt sich gar nicht wohl in seiner Haut.
Einmal muss der Anfang gemacht werden, und Maggie erzählt dem Vater, dass sie in einer ernsthaften Verbindung mit Will einen Vorteil sieht. Weit gefehlt, Hobson löst seinen Gürtel vom Hosenbund und lässt sich dazu hinreißen, mit dem Riemen Will mehrfach eins überzuziehen. Seine Protestreaktion ist ein fetter Schmatz auf Maggies Wange. Nun hat Maggie endlich die Sicherheit, Will hinter sich zu wissen und kann forsch auftreten. Beide verlassen auf der Stelle das Haus und der irritierte Hobson schaut ihnen verstört nach. Was soll aus dem Laden werden, wenn seine beiden Stützen nicht mehr vorhanden sind? Der Alkohol spendet Trost.
Will weiß nicht, wie es nun mit ihm weitergehen soll, doch seine Zukünftige denkt für zwei. Wie wäre es mit einem eigenen Laden? Wills Tüchtigkeit ist stadtbekannt, aber zunächst müssen einmal Werbezettel verteilt werden, um die Leute zu informieren, dass es im Städtchen einen neuen Schuhladen geben wird.
Das Schicksal ist dem Senior der Familie Hobson nicht wohlgesonnen. In unzurechnungsfähigem Zustand entfernt der Volltrunkene auf seinem nächtlichen Streifzug die Sicherheitsvorkehrung, die eiligen Passanten den Weg in unwegsames Gelände versperren soll. Der Torkelnde stürzt durch die Öffnung im Hofpflaster ausgerechnet in den Keller von Freddys Getreidespeicher.
Zehnte Szene: Am nächsten Morgen auf dem Platz vor dem Getreidespeicher
Elfte Szene: Hochzeit vor der Kirche
Zwölfte Szene: In Wills und Maggies Haus
Dreizehnte Szene: Außerhalb der Kirche bei Nacht
Vierzehnte Szene: Das Schuhgeschäft von Mossop und Hobson
Mit Lücken im Erinnerungsvermögen kann er sich am Morgen selbst befreien und unbemerkt entweichen, doch die vorbei eilenden Leute machen sich über den mit Mehl Bestäubten lustig. Wer hätte gedacht, dass Maggie sich die Situation zunutze macht und Albert anstiftet, in seiner Eigenschaft als Anwalt dem Verunglückten eine Strafandrohung wegen unbefugten Eindringens in das Haus seines Klienten Beenstock zu schicken. Mit der Maßnahme will die Aufmüpfige den trotz allem geliebten Vater gefügig machen. Er soll der allgemeinen Heiratslust keinen Riegel mehr vorschieben. Hobson hat keine Wahl, erscheint sogar zur Hochzeit von Will und Maggie und nimmt missmutig einen Schluck Tee nebst einem Stückchen Kuchen zu sich. Die Anwesenden hält es nicht davon ab, Klavier zu spielen und ausgiebig zu tanzen. Doch von ehelichen Pflichten hat Will wenig Ahnung. Er weiß nur, dass die akrobatischen Übungen im Dunkeln stattfinden und deshalb möchte er auch nicht, dass die Ehefrau ihm beim Wechseln von der Straßenkleidung in die Schlafhose zusieht. Zartgefühl kennt Maggie dagegen nicht und zerrt den Erwählten am Ohrläppchen in die Schlafkammer, wartet aber taktvoll, bis alle Gäste das Haus verlassen haben.
Dem Geschäft geht es immer schlechter und ohne die gewohnte Einsatzfreude von Will und Maggie steht der alte Hobson bald vor dem Ruin. Die Schuldscheine, die sich häufen, kann er nicht mehr einlösen, doch die Jungvermählten sind so freundlich, diese mit dem Geld von Mrs. Hepworth einzusammeln und zu bündeln. Will liebt nicht nur schöne Schuhe, sondern neuerdings auch angemessene Kleidung, die beigefarben gemusterte Weste mit goldener Taschenuhr gibt etwas her, und Will ist sich seiner Wirkung voll bewusst. Erneut setzt Maggie den Hebel an, um den Alten zu knebeln. Die Handwerker haben für das alte Geschäft ein neues Ladenschild gemalt, welches über Schaufenster und Ladentür flächenfüllend den Bewohner des Städtchens neue Kunde bringen soll. Toben hilft nichts, Hobson hat keine Wahl. Auf dem meterlangen Schild steht in fetten Lettern der neue Firmenname. Das Geschäft heißt in Zukunft „MOSSOP UND HOBSON“.
Letzte Änderung am 29.11.2007
Beitrag von Engelbert Hellen