Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844-1908):

Schecherasada [Шехеразада]

deutsch Scheherazade / englisch Scheherazade / französisch Shéhérazade

Allgemeine Angaben zum Ballett

Entstehungszeit: 1888
Uraufführung: 4. Juni 1910 in Paris (Opéra)
Formation: Diaghilews Ballets Russes
Besetzung: Orchester
Spieldauer: ca. 45 Minuten

Zum Ballett

Art: Ballett in einem Akt
Libretto: Alexander Benois und Léon Bakst nach "Die Geschichten Scheherazades" aus dem Zyklus "Tausend und eine Nacht"
Ort: Orient
Zeit: frühislamische Zeit

Personen der Handlung

Sharyar: Sultan
Zobeide: Erste Frau des Sultans
Shah-Zeman: Bruder des Sultans
Weitere: Lieblingssklave der Sultanin, Großeunuch, Hofleute, Wachen, Haremsdamen, Eunuchen, Negersklaven und weitere

Handlung

Sultan Schariar ist sich nicht sicher, ob seine Lieblingsfrau Zobeide ihm tatsächlich die Treue hält. Zu nachsichtig und liebevoll hat er sie behandelt, und nun hat man ihm zugetragen, dass sie seiner Liebe unwürdig sei. Seinen Argwohn teilt er seinem Bruder Zeman mit, und dieser rät Gerüchten nicht zu trauen, sondern der Sache selbst auf den Grund zu gehen und die Verdächtigte zu überführen.

Ist es tatsächlich wahr, dass Zobeide und einige Palastfrauen in seiner Abwesenheit geheime Liebschaften mit gutaussehenden kräftigen Negersklaven unterhalten? Die Verdächtigung ist ungeheuerlich. Kein Sultan würde sich auch nur in den Ansätzen solches bieten lassen! Wird der Harem unter Aufsicht des Obereunuchen nicht streng bewacht?

Es gelingt Zobeide nicht, den Unmut ihres Gebieters, dessen Ursachen sie nicht kennt, durch Schmeichelei und gespielter Unterwürfigkeit zu zerstreuen. Ihre Tanzkünste im Kreis der Odalisken zur Musik von Nikolai Rimski-Korsakow besänftigen den Herrscher nicht, sondern bewirken in Ausgelassenheit und Überschwang eher das Gegenteil.

Dem Sultan werden die Waffen und die Jagdkleidung gebracht, dass es so aussieht, als ob er mit seinem Gast aufbrechen und längere Zeit fortbleiben würde. Zobeide weiß, dass Schah-Zeman, der Bruder des Sultans, ihr Feind ist.

Die erste Gemahlin ahnt nicht, welches Schicksal die Zukunft für sie bereithält. In aller Unbefangenheit glaubt sie, in Abwesenheit des Gatten schamlos Orgien feiern zu können, welche die Majestät des Sultans und das moralische Empfinden des Ballettpublikums verhöhnen. Dieses ist nämlich neidisch, weil es an den Vergnügungen der Sklaven und Favoritinnen, die nun folgen werden, nur passiv teilhaben darf.

Die dekorativen blauen Türen zur festlich geschmückten Halle haben sich geöffnet und gutaussehende Schwarzafrikaner - zu Liebesdiensten abgerichtet oder veranlagt - erscheinen, um mit ihren Sprüngen zu erfreuen. Den schönsten Schwarzen, ganz in Gold gekleidet, erwählt Zobeide zu ihrem Liebsten und tanzt mit ihm einen Pas de deux. Die verführerische Musik steigert die Leidenschaft, und pantomimisch gibt man sich verbotenen Spielen hin.

Der Obereunuch, der das verurteilungswürdige Treiben bisher geduldet hat, wird unruhig, aber seiner Angst vor gerechter Strafe weiß die Sultanin durch Überreichung einer kostbaren Halskette zu begegnen.

Plötzlich öffnen sich die blauen Türen erneut und der Hausherr – schon etwas früher von der Löwenjagd zurückgekehrt – steht zornerfüllt im Türrahmen. Leugnen nützt nichts, Weinen auch nicht! Auf frischer Tat ertappt, erfolgt die Bestrafung unverzüglich. Die Wachen erscheinen mit Dolch und Krummschwert, um die wertvollen Teppiche zu besudeln. Der dekorative Liebhaber setzt sich mutig zur Wehr, unterliegt aber der Übermacht und muss sein Leben lassen. Zobeide wirft sich weinend über seine Leiche. Nachdem sie ausgiebig geschluchzt hat, zückt sie ihren Dolch mit dem juwelenbesetzten Knauf und gibt sich selbst den Todesstoß.

Untreue und Undankbarkeit lohnen nicht! Der Sultan ist wieder Herr im eigenen Palast, und seine Ehre strahlt in neuem Glanz. Dem Laster wurde Paroli geboten und die Gerechtigkeit hat gesiegt .

Beschreibung

Die Rahmenhandlung zu dem Novellenzyklus „Tausend und eine Nacht“ beginnt mit der Überzeugung des enttäuschten Sultans, dass alle Frauen falsch und treulos seien. Deshalb leistet er einen Schwur, die Ehekandidatinnen nach der Hochzeitsnacht dem Richtschwert zu überantworten, denn einem erneuten Verrat seiner Liebe möchte er sich nicht aussetzen. Es kommt die Reihe an Scheherazade, mit dem Sultan vermählt zu werden. Doch das kluge Mädchen versteht es, einen fesselnden Report hinzulegen, so dass die Zeit einer Nacht nicht ausreicht, die Handlung zu Ende zu führen. Der Sultan wünscht den Ausgang der Geschichte jedoch zu erfahren und verschiebt die Hinrichtung der geschickten Erzählerin um eine Nacht. Scheherazade nutzt die Gelegenheit, eine neue Erzählung zu beginnen, die aber auch diesmal bis zum ersten Hahnenschrei nicht abgeschlossen ist. Erneut erreicht das kluge Mädchen einen Aufschub des Urteils und berichtet dem Sultan von wundersamen Dingen. Dieser kann von den Legenden nicht genug bekommen, und Scheherazade bewirkt die endgültige Aufhebung des Urteils.

Das Libretto des Balletts schließt die Rahmenhandlung aus und hält sich auch sonst nicht an die Erzählungen Scheherazades, sondern formt im Sinne von „Tausend und einer Nacht“ einen eigenen Handlungsfaden, welcher choreographierbar ist und dem Wesen des Balletts entgegenkommt.

Der Partitur liegt Rimski-Korsakows Sinfonische Dichtung gleichen Namens zugrunde, verzichtet allerdings auf den dritten Satz. Das beigegebene literarische Programm von Sindbad, vom Prinzen Kalender und vom Schiff, welches am Magnetberg zerschellt, wird ebenfalls verworfen. „Das Fest in Bagdad“ des vierten Satzes lässt sich dagegen wunderbar choreographieren und in den neuen Handlungsverlauf einpassen.

Die sinnliche Musik, die exotische Handlung und die grandiosen Leistungen der Tänzer garantierten für einen glänzenden Erfolg der Uraufführung. Eine Folge von Aufführungen brachten der Ballettkompanie und seinem Impresario Diaghilew noch jahrelang Ruhm und Brot. Ida Rubinstein und Waslaw Nijinsky profilierten sich in ihrer Ausstrahlung als die ideale Besetzung für das Traumpaar auf der Bühne.

Auch in heutiger Zeit ist das Ballett fester Bestandteil der großen Häuser und wird in der Regel abendfüllend mit den „Polowetzer Tänzen“ in eigener Choreographie unabhängig von der Oper „Fürst Igor“ aufgeführt.


Letzte Änderung am 30.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen