Kurt Schwertsik (geb. 1935):

Frida Kahlo

Allgemeine Angaben zum Ballett

Entstehungszeit: 1991
Uraufführung: 8. Februar 1992 in Bremen
Choreographie: Johann Kresnik
Ausstattung: Penelope Wehrli
Besetzung: Orchester
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Verlag: New York: Boosey & Hawkes
Bemerkung: Es macht wenig Freude, ein Werk völlig abstrusen Inhalts zu beschreiben. Choreograph und Librettist überlassen es dem Betrachter, nach dem Sinn zu suchen, falls die inhaltliche Substanz eine plausible Auslegung überhaupt zulässt. So wie man einem Hund einen abgenagten Knochen vorwirft, um zu sehen, was er damit anfängt, behandeln zeitgenössische Komponisten zuweilen den der Moderne aufgeschlossenen Konsumenten. Selten irritiert, eher verärgert, verweigert er den intellektuell geführten Dialog! Provokation und Geschmacklosigkeit, billiger Effekt und ein fragwürdiges Konzept sind nicht geeignet, den Weg in die Zukunft zu weisen.

Dem Andenken der großen mexikanischen Künstlerin, deren Leben aus qualvollem Leiden bestand, wird mit einer solchen Produktion keine Ehre erwiesen. Frida Kahlo versuchte über den Weg der Malerei zu sich selbst zu finden. Zu den körperlichen Schmerzen gesellten sich im Zusammenleben mit ihrem Mann und Künstlerkollegen Diego Rivera zusätzliche psychische Spannungen. Die Faszination, welche diese Frau über ihre Person und über ihre Kunst ausstrahlt, ist einmalig und genießt weltweit Beachtung. Die große Malerin hat es gewiss nicht verdient, mit einem Werk der Darstellenden Kunst verunglimpft zu werden, welches auf den unbefangenen Musikliebhaber wie eine an Blasphemie grenzende Verhöhnung wirkt.

Zum Ballett

Art: Choreographisches Tanztheater
Libretto: Irmgard Wierichs

Personen der Handlung

Frida  1
Frida  2
Frida Kahlo
Friedas Tod
Diego Rivera: mexikanischer Maler
Christina Kahlo: Fridas Schwester
Guillermo Kahlo: Fridas Vater
Matilde Kahlo: Fridas Mutter
Alejandro: Fridas Freund
Leo Trotzki: Revolutionär

Handlung

1. Fridas Kindheitstraum

Ein Bär hat das auf Schienen laufende rote Bett auf die Bühne gefahren. In einer Traumvision sieht Frida sich in doppelter Ausfertigung. Frida 1 hält einen Teddy im Arm und trägt Gipsmaske, Frida 2 balanciert auf der Bettkante, ein Teddybär hält ihre Hand. Der Vater kommt mit ihrer Schwester Christina an der Hand herein und trägt die Mutter auf den Schultern. Er legt Frida eine Beinschiene an und versucht mit dem Teddy zu tanzen. Da sie humpelt, wirken die beiden in ihren Bemühungen grotesk. Den Vater überkommt ein epileptischer Anfall.

2. Diego und Frieda

Diego malt an einem Wandbild. Er hat eine Arbeitsbühne hereingefahren, hantiert mit einem Farbkübel und beginnt zu arbeiten. Frida steht unten und tut so, als ob sie interessiert zuschaue. Sie hebt den Rock und posiert. Fotografen, die auf dem Boden liegen, betätigen die Auslöser.

3. Hinkebein Frida

Frida balanciert am Stock des Vaters. Mit Flüssigkeit gefüllte Gläser ergeben eine Glasharmonika, die von einem Ensemble zum Klingen gebracht wird.

4. Frida und Alejandro

Frida amüsiert sich mit Alejandro und gießt Wasser aus den Gläsern auf ihn.

5. Die Mutter

Die kleinwüchsige Mutter beeilt sich, aus den Gläsern zu schlecken, und assistiert beim Wegräumen. Sie macht anschließend Fridas Bett.

6. Der Unfall

An Fridas Unfall mit der Straßenbahn erinnern zwei Frauen. Diese tragen ein Stahlkorsett, aus dem eine Stange herausragt. Sie taumeln auf die Bühne und wälzen sich auf dem Boden. Von einer Gruppe werden sie mit der Stange hochgestemmt, so dass der Eindruck erweckt wird, sie seien daran aufgespießt. Es entsteht Aufregung und Hektik. Die Mutter lehnt sich schutzsuchend an den Vater, der erneut einen epileptischen Anfall erleidet und auf dem Boden starr liegen bleibt.

7. Krankenhaustraum I

Im Krankenhaus träumt Frida, wie ihr eine Stange aus dem Unterleib gezogen wird. Besucher dürfen zuschauen.

8. Frida und Christina

Das Verhältnis zwischen Frida und ihrer Schwester Christina ist zwiespältig. Sie flechten sich gegenseitig liebevoll die Haare, was nicht ausschließt, dass sie sich im nächsten Moment heftig streiten.

9. Krankenhaustraum II

Männer in weißen Kitteln mit blutverschmierten Gesichtern knien um ihr Bett herum. Frida nimmt sie in ihrer Traumvorstellung als Feinde wahr und versucht, sie zu vertreiben. Die Familie, Freunde und Unbekannte nähern sich in einer Prozession und versuchen, Frida ein Stahlkorsett anzuziehen. Das Bett wird zum Umkippen gebracht, ohne dass Frida es verhindern kann. Alejandro schreitet tatenlos auf und ab.

10. Der Tod tanzt um mein Bett

In einem goldfarbenen Slip wackelt der Tod um ihr Bett herum. Mit Keulenschlägen in die Kniekehle bringt Frida ihn zu Fall.

11. Frieda und Diego

Die Umwelt vergleicht Diego und Frida mit Elefant und Taube. Diego küsst Frida, während sie in einem Buch liest.

12. Hochzeitsfest

Frida hat die Vision einer Hochzeit. Die Paare umarmen sich und simulieren unter rhythmischen Zuckungen Lustgefühle. Der Bräutigam schießt mit einer Pistole in die Luft, bis das Magazin leer ist. Obwohl nicht getroffen, zeigen sich bei den Gästen blutende Wunden. Sie sind verstört. Aus der Hose von Diego zieht Frida ein rotes Kleid. Diego ärgert sich, nimmt Christina auf den Arm
und verschwindet mit ihr.

13. Wir konnten kein Kind bekommen

Fridas Sehnsucht nach einem Kind bringt den Choreographen auf abstruse Ideen. Puppen sind an ihren Füßen angeschnallt. Sie darf nicht danach greifen, weil der Tod ihr jedes Mal die Hand wegschlägt. Frida setzt sich auf Diegos Rücken und rasiert sein Gesicht. Unappetitlichkeiten und grober Unfug sind nicht mehr voneinander zu trennen.

14. Ich bin jetzt Kommunistin

Ein roter Sack fliegt auf die Bühne. Auseinandergebreitet entsteht eine Fahne mit den Symbolen von Hammer und Sichel. Mit Sektgläsern in der Hand umkreisen die Anwesenden das Tuch. Die Eltern Fridas ergreifen die Flucht.

15. Frida und Diego

Frida und Diego posieren als Verliebte. Sie werfen sich gegenseitig immerzu in die Arme. Anschließend geht Diego malen.

16. Amerika

Kontakte mit amerikanischen Kultfiguren wie Charlie Chaplin, Mickey Mouse, Rudolph Valentino, einer Revolverlady, einem Monster und einem Gangster ziehen die Vorstellung in die Länge.

17. Wurzeln

Mit einer Maske vor dem Gesicht liegt Frida im Bett. Erde wird auf sie gehäuft. Ihre Intimfreundin findet Gefallen daran, sich ebenfalls mit Erde zu bestäuben.

18. Diego und Christina

Christina zieht sich ihr Kleid aus und legt sich in Diegos Bett. Die beiden sind sich einander zugetan, und Diego wirft Christina mehrfach in die Luft.

19. Die zwei Fridas

Das Gemälde „Die zwei Fridas“ gibt Anlass, den Entwurf zu einer Ballettszene umzugestalten. Diego und Christina werden auf ihrem Bett mit Stühlen attackiert.

20. Die Freundin

Frida und eine Intimfreundin rauchen und umarmen sich. Beide produzieren Lebenslust.

21. Was die Zahl meiner Operationen betrifft, kann ich es mit jedem aufnehmen

Frida muss wieder einmal operiert werden. Die Ärzte nähern sich ihr mit Schneidbrennern. Das Bett wird in Mitleidenschaft gezogen und in seine Bestandteile zerlegt.

22. Tanzbär Diego

Wie viele korpulente Menschen tanzt Diego gerne. Er hat sich als Bär verkleidet und schüttet diesmal Blumen auf das Bett von Frida. Zwischendurch macht er sich an die Krankenschwestern
heran.

23. Trotzki

Es wird wieder einmal politisch. Diego schleppt den Revolutionär Leo Trotzki herein, welcher beginnt, Propaganda zu verteilen. Das Druckmaterial wird nicht gelesen, sondern aufgegessen. Frida macht dem Russen Avancen. Er stopft ihr Propagandamaterial in den Ausschnitt. Dann verheddert er sich in der roten Fahne mit den Emblemen der Revolution und legt sich auf den Boden.

24. Männer

Frida trägt über ihren Bandagen einen eleganten Hosenanzug. Männer umtanzen sie. Anschließend muss erneut Rasierschaum herhalten, um Spannung zu erzeugen. Der Männer überdrüssig, tanzt Frida mit einem Stock.

25. Spiegelbilder

Frida hat sich den Frauen zugewandt. Der Tod tritt auf und hält ihr einen Spiegel vor die Nase. Das gesamte Ensemble sieht aus wie Frida. Alle tragen einen Spiegel.

26. Amputation

Frida im Doppelpack. Frida 1 liegt im Hosenanzug auf dem Boden. Frida 2 im weißen Hemd und einem Bein humpelt an zwei Stöcken herein. Sie raucht eine Zigarette. Ein Sägeblatt rollt über die am Boden liegende Frida hinweg. Die Einbeinige lacht.

27. Ausstellung

Die beinamputierte Frida wird von anderen Fridas in Buntpapier eingewickelt und geschmückt. Diego legt sie auf eine Bahre und schiebt sie über die Bühne. Begeistere Leute reißen sich von ihrem Papierkleid Fetzen heraus.

28. Wozu brauche ich Füße, wenn ich fliegen kann

Wenn man fliegen kann, benötigt man keine Füße. Bevor Diego zu malen anfängt, nimmt er sich ausreichend Zeit, Frida abzuküssen. Die im Moment Gefragte ist in ein monströses Korsett eingeschlossen, aus dem Spitzen von Lanzen herausragen. Eine Tür öffnet sich und es kommt ein Bett angefahren, aus dem Flammen schlagen. Der fallende Vorhang beendet abrupt das Ballett um Frida Kahlo.


Letzte Änderung am 4.1.2008
Beitrag von Engelbert Hellen