Die Päpstin Johanna / Popess Joanna / Jeanne, Papesse du diable
Entstehungszeit: | 1969 |
Uraufführung: | 1969 |
Besetzung: | Orchester |
Bemerkung: | An Kunstfertigkeit steht die Komposition der „Papessa“ der grotesken Suite „Bai Ganyu“ erheblich nach. Es fehlen einfach die schmissigen Einlagen. Die Musik bewegt sich in den lyrischen Passagen im Bereich der Spätromantik und sobald es dramatisch zugeht, ist ein Vergleich mit Zoltán Kodály oder Aram Chatschaturjan angängig. |
Art: | Ballettmusik |
Libretto: | frei nach diversen mittelalterlichen Aufzeichnungen |
Veselin Stoyanov greift in seinem Ballett eine Legende auf, deren Wurzeln im neunten Jahrhundert zu suchen sind. Es handelt sich um Johanna von Ingelheim, die es angeblich zu allerhöchstem Ruhm gebracht hat. Ihre Geschichte hat die Menschen des Mittelalters stark beschäftigt und erst in neuerer Zeit versucht man, den Tatbestand, dass es jemals einen weiblichen Papst gegeben hat, zu leugnen.
Die Kindheitsgeschichte Johannas berichtet, dass die Eltern sich ständig stritten. Der Vater war ein fanatischer Priester und die Mutter eine zwangskonvertierte Wickingerin. Das Mädchen beschloss, mit ihrem Bruder aus dem Elternhaus zu flüchten, denn Johannes wollte gern studieren. Nun richtete es das Schicksal so ein, dass Johannes von feindlichen Wickingern erschlagen wurde, Johanna sich die Kleider des Bruders anzog und in Verkleidung an seiner Stelle das Medizinstudium aufnahm. Das Mädchen war hochbegabt und brillierte in theologischen wie auch in wissenschaftlichen Fächern. Ihr gelang die Reise nach Rom und sie konnte als Heilpraktikerin bis in die Gemächer des Papstes vordringen. Es gelüstete die Ehrgeizige danach, selbst Papst zu werden und es gelang ihr seltsamerweise, vom Konzil auch gewählt zu werden. Ihre Regierungszeit setzt man zwischen Leo IX. und Benedikt III. oder auch nach Benedikt an.
Niemand ahnte, dass die Erwählte eine Frau war, bis der Schwindel eines Tages aufflog. Anlässlich einer Prozession hob die dreifach Gekrönte das Bein, um in den Sattel ihres Pferdes zu steigen. Bei dieser Gelegenheit ergab sich ihre Niederkunft. Auf offener Straße gebar sie ein munteres Knäblein. Das Volk von Rom - obwohl Absonderlichkeiten in Fülle gewohnt - konnte nicht begreifen, dass auch Päpste Kinder bekommen können. Den Ausgang der Geschichte erzählen die Chroniken widersprüchlich. Veselin Stoyanov hat eine ballettgerechte Lösung gefunden.
War vielleicht Corvinios der Vater? Musste Johanna um ihre Liebe kämpfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Nach den Bezeichnungen der einzelnen Sätze zu urteilen, wird fleißig gebetet - mehr als getanzt. Hauptsache, Johanna hat ihre Genugtuung als sie einen Pas de quatre im Ensemble mit drei frommen Priestern hinlegt.
Letzte Änderung am 13.10.2012
Beitrag von Engelbert Hellen