Igor Fjodorowitsch Strawinski (1882-1971):
Die Weihe des Frühlings / The Rite of Spring / Le sacre du printemps
Entstehungszeit: | 1911-13, rev. 1922 und 1943 |
Uraufführung: | 29. Mai 1913 in Paris (Théâtre des Champs-Elysées) |
Besetzung: | Orchester |
Spieldauer: | ca. 35 Minuten |
CD: | [Details] |
Le Sacre du Printemps (DGG, DDD, 1991) Igor Strawinsky (1882-1971) E. Bezold in HiFiVision 11/92: "Das Cleve-land Orchestra von heute erscheint homoge-ner, artikuliert präziser und liefert spiel-technisch durchwegs bessere Resultate als dieNew Yorker in den alten Aufnahmen der CBS.Das kommt den vielfältigen Mixturen der im-pressionistisch eingefärbten Partituren be-sonders zugute. Im Vergleich zu den frühenEinspielungen geht Boulez' Atem heute musi-kalisch schneller, so daß sich der Eindruckeiner größeren Geschlossenheit der Inter-pretation einstellt. ..daß der ewige Schockerbei aller archaischen Urgewalt nun auch inwundervoll leuchtenden Farben schwelgendarf, macht diese Aufnahmen mit zumBesten, was der Schallplattenjahrgang 1992bis jetzt zu bieten hatte." |
Art: | Ballett in zwei Teilen (Tableaux de la Russie Paienne en deux parties) |
Libretto: | Nicholas Roerich in Zusammenarbeit mit dem Komponisten nach "Bilder aus dem heidnischen Russland" |
Ort: | das Russland der Skythen |
Zeit: | in vorgeschichtlicher Zeit |
Die Auserwählte | |
Der Weise | |
Gruppen der jungen Männer | |
Gruppen der Mädchen |
Der Mensch der Frühzeit war den Kräften der Natur schutzlos ausgeliefert. Nicht immer bot seine Unterkunft ausreichend Sicherheit vor dem Wechsel von Witterung und Klima. Nahrung musste durch Sammeln und Jagen mühsam beschafft werden. Außerirdische Mächte bestimmten Glück und Pech bzw. den Erfolg oder Misserfolg einer Mission. Diese Abläufe prägten sein Bewusstsein, und er versuchte, sein Glück zu manipulieren. Er stellte sich vor, dass die Opferung wertvoller Dinge sich für ihn günstig auswirken könnte. Um einen Ansprechpartner zu haben, erfand er Gottheiten oder personifizierte Naturkräfte, denen er unterstellte, an seinen oftmals abstrusen Opfergaben Interesse zu haben. Die Einbuße geht meistens zu Lasten Einzelner, die sich der tödlichen Prozedur zu unterziehen hatten, um sich gefragt oder ungefragt dem Gemeinwohl zu opfern.
Teil I: L’ADORATION DE LA TERRE (Die Anbetung der Erde)
Introduction (Einleitung)
Les augures printaniers (Die Vorboten des Frühlings)
Dances des adolescentes (Tanz der Heranwachsenden Jungen und Mädchen)
Jeu du rapt (Das Spiel der Entführung)
Rondes printanières (Frühlingsreigen)
Jeux des cités rivales (Kampfspiele der rivalisierenden Gruppen)
Cortège du sage (Auftritt des Weisen)
Adoration de la terre (Anbetung der Erde)
Danse de la terre (Tanz der Erde)
Das Bühnenbild versetzt den Zuschauer in eine Welt, die ihn in Unruhe versetzt. Sie führt ihn ins alte Russland und lässt ihn an einem heidnischen Opferritus teilnehmen. Die dämonischen Kräfte der Natur werden durch Symbole dargestellt. Jünglinge und Mädchen bilden einen Reigen und erwarten die Vorboten des Frühlings. Die Stimmung ist zunächst lyrisch, schlägt aber um, sobald die Entführung der Mädchen simuliert wird. Zwei männliche Gruppen rivalisieren miteinander. Die Alten, denen man Weisheit unterstellt, versuchen zu schlichten. Sie empfehlen, die Erde anzubeten, die sie trägt und ernährt. Diese freut sich über die fromme Gesinnung, dass sie selbst anfängt, zu tanzen.
TEIL II: LE SACRIFICE (Das Opfer)
Introduction (Einleitung)
Cercles mistérieux des adolescentes (Geheimnisvoller Kreis der Jugendlichen)
Glorification de l’élue (Verherrlichung der Auserwählten)
Évocation des ancêtres (Anrufung der Ahnen)
Action rituelle des ancêtres (Ritual der Ahnen)
Danse sacrale de l’élue (Tanz der Auserwählten)
Man besinnt sich auf die Ursache, weshalb man eigentlich zusammen gekommen ist und diskutiert über den Ritus einer Opferhandlung. Jungfrauen sind offenbar wertvolle Geschenke, und eines der Mädchen wird überredet, sich der Mutter Erde als Opfer anzubieten. Angst nützt ihr gar nichts. Durch wilde Tänze wird ihr drastisch klar gemacht, worin ihre Pflicht besteht. Die Tanzerei ist für die Kleine so anstrengend, dass sie tot zusammenbricht. Sie wird zum Opferstein getragen, wo man ihr unter Aufsicht des Weisen den Rest gibt.
Strawinskis „Frühlingsweihe“, ein Meilenstein in der Musikgeschichte, erregte bei seiner Uraufführung totales Unverständnis und rief Massentumulte unter den Zuschauern hervor. Zu ungewohnt war die Musik und zu barbarisch die Inszenierung. Die Ballerina Maria Piltz hatte Mühe, ihren Part konzentriert zu Ende zu bringen, der Dirigent Pierre Monteux blieb gelassen, und Serge Diaghilev versuchte das aufgebrachte Publikum durch Zurufe aus der Loge zu beruhigen. Der erste Weltkrieg kam erst ein Jahr später, und so hatte man noch die Muße, sich über Entgleisungen im Musiktheater aufzuregen. Das Ballett hatte sich von Romantik und Tutu verabschiedet und sah seiner Erneuerung entgegen. Die Menschen haben es schnell begriffen, außergewöhnlich freizügige Bühnenwerke häuften sich, denn Strawinski war nicht der einzige Musiker seiner Zeit, der für Umwälzungen sorgte und einen neuen Geist heraufbeschwor.
Letzte Änderung am 26.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen