Igor Fjodorowitsch Strawinski (1882-1971):
Der Kuss der Fee / The Fairy's Kiss
Anlass: | Auftrag von Ida Rubinstein |
Entstehungszeit: | 1928, rev. 1950 |
Uraufführung: | 27. November 1928 in Paris (durch Ida Rubinstein) |
Besetzung: | Orchester |
Spieldauer: | ca. 40 Minuten |
Bemerkung: | russischer Titel: Pozelui Fei (Поцелуй феи) |
Art: | Allegorisches Ballett in 4 Bildern |
Libretto: | vom Komponisten in Anlehnung an die Erzählung „Die Eisjungfrau“ von Hans Christian Andersen |
Die Eisfee | |
Die Mutter mit Kind | |
Der Jüngling | |
Die Braut | |
Der Müller | |
Weitere: | Bevölkerung eines Schweizer Dorfes |
WIEGENLIED IM STURM
Durch eine eisige Winterlandschaft irrt eine Mutter mit ihrem Kind, welches sie fest an sich presst. Bevor sie das rettende Dorf erreicht hat, stirbt sie an Erschöpfung. In Begleitung ihrer furiosen Gefolgschaft erscheint die Eisfee, um sich des Kindes zu bemächtigen. Sie hängt ihm einen Talisman um und drückt besitzergreifend einen Kuss wie einen Stempel auf seine Stirn. Menschen, unbewusst von der Nähe der Fee magisch angezogen, kommen aus dem Dorf, um sich des Waisenkindes anzunehmen. Die Fee hat sich unsichtbar gemacht.
LÄNDLICHES FEST
Die Zeit ist ins Land gezogen. Um den Jungen hat man sich gekümmert, so dass er zu einem liebenswerten jungen Mann heranwachsen konnte. Der Müller will ihm seine Tochter zur Frau geben, und die Hochzeit steht bevor. Schon am Vorabend feiert die Dorfgemeinschaft das bevorstehende Hochzeitsfest und zu Ehren des Brautpaares werden folkloristische Tänze aufgeführt.
Eine geheimnisvolle Zigeunerin ist erschienen und liest den Dorfbewohnern aus der Hand. Auch der Bräutigam möchte etwas über die Zukunft erfahren und ist von einer eigenartigen Verwirrung befallen.
IN DER MÜHLE
Am folgenden Tag soll die Hochzeit in der Kirche stattfinden. Die Braut hat ihr weißes Kleid angezogen und ihr Gesicht traditionsgemäß mit dem Brautschleier verhüllt. Es kommt es zu einem zärtlichen Zwiegespräch.
In kurzer Abwesenheit der Braut gelingt es der Eisfee, sich in gleichaussehender Kleidung dem Bräutigam verschleiert zu nähern. Zu spät erkennt er, dass es nicht sein Mädchen ist, sondern eine andere versucht, sich seiner Seele zu bemächtigen. Mit kaltglitzernden Juwelen geschmückt, erstrahlt die Fremde in erhabenem Glanz. Magisch angezogen, folgt er ihren Schritten. Durch den Kuss, den sie ihm als Kind gab, hat sie seine Seele und seine Zuneigung an sich gebunden.
DIE GEFILDE DER SELIGEN
Die Eisfee umarmt den Befangenen und zieht ihn mit Zaubermacht in ihr eisiges Reich. Jenseits von Zeit und Raum wird er ihr für immer gehören. Die Weite des Firmaments ist jetzt sein Zuhause.
Die verzweifelte Braut, die nicht weiß, was geschehen ist und welche Macht ihr den Mann genommen hat, wartet vergeblich.
Ida Rubinstein hat das Ballett beim Komponisten bestellt und spezielle Wünsche geäußert. Das Stück sollte den großen romantischen Balletten Referenz erweisen und die Musik im Geist Tschaikowskis komponiert werden. Die Erstaufführung war zum 35. Todestag des großen russischen Tonschöpfers geplant.
Obwohl es die bewegendste Musik des gesamtes Stückes enthält, wird das erweiterte Finale bei szenischen Aufführungen fast immer gestrichen. Inhaltlich sieht die Situation so aus, dass der junge Mann sich in Peter Tschaikowski verwandelt, der seiner dämonischen Muse, der Eisfee, zu den Klängen des Wiegenliedes hilflos ausgeliefert ist.
Die Choreographie hat sich viele Revisionen gefallen lassen müssen. Die Einschneidendste war im Jahre 1950 für das New York City Center.
Die Musik hat alles Barbarische abgestreift und betört durch opulenten Wohlklang jenseits aller Dissonanzen. Stilistisch in die Nähe Tschaikowskis gerückt, erleichtert sie den Zugang zu einem Klassiker der Moderne.
Letzte Änderung am 1.8.2006
Beitrag von Engelbert Hellen