Peter Iljitsch Tschaikowski (1840-1893):

Schtschelkuntschik [Щелкунчик]

deutsch Der Nussknacker / englisch The Nutcracker / französisch Casse-Noisette

Allgemeine Angaben zum Ballett

Entstehungszeit: 1892
Uraufführung: 5. Dezember 1892 in St. Petersburg (Marijnskij-Theater)
Choreographie: Lew Iwanow
Bühnwnbild und Kostüme: M. Botscharow und K. Iwanow
Formation: Ballett des Marinskij-Theaters St. Petersburg
Ausführende: Antoinetta Dell'Era, Pawel Gerdt, Olga Preobrakenska, Nicholas Legat
Besetzung: Orchester
Spieldauer: ca. 88 Minuten
Bemerkung: Keineswegs hatte E.T.A. Hoffmann die Absicht, mit „Nussknacker und Mäusekönig“ ein Kindermärchen zu schaffen. Die Novelle trägt dämonische Züge und befasst sich mit den Nachtseiten der Seele. Modernen Ballettmeistern bietet sich ein weites Feld der Verfremdung, wenn die Unentwegten das Libretto tiefenpsychologisch ausschlachten und die Ausstattung der Inszenierung anpassen.

Lew Iwanow, der Assistent des großen Marius Petipa, gilt als erster russischer Choreograph von Bedeutung. Mit Bravour vollendete er die Ballettschöpfung im Sinne des vorübergehend erkrankten Meisters. Seltsamerweise wurde die Ballett-Schöpfung bei der Premiere vom Publikum nicht freundlich aufgenommen. War in dem Musikwerk das Element der Groteske überzogen worden? Die Suite wurde dagegen sofort umjubelt.

Tschaikowski hatte in Paris ein neues Musikinstrument, die Celesta, kennen gelernt, welches ihm so gut gefiel, dass er sie in seinem dritten Ballett der Zuckerfee zuordnete und dominant einsetzte. Er wollte der erste sein, der das Instrument in Russland vorstellte und hatte eine panische Angst, dass Rimski-Korsakow oder Glasunow ihm zuvorkommen könnten.
Opus: op. 71

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Der Nußknacker op.71 (Ausz.) (Telarc, DDD, 1986)
Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)

K. Breh in stereoplay 1/89:"Diese schönstenAuszüge aus dem Nußknacker-Ballett, hin-reißend musiziert und phänomenal aufgenom-men. Eine CD für Tschaikowsky-Freunde undKlangfetischisten."

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Der Nußknacker op.71 (BelAir, 2016)
Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)

»... ein sehr persönliches Konzept, musikalisch, sängerisch und tänzerisch ... überzeugend.« (stereoplay, Januar 2019)

»Tschaikowsky nicht als Romantiker, sondern als Romantik-Skeptiker - da passt in der Tat ein Choreograf bestens: Édouard Lock. Seit jeher führt der die Zuschauer mit seinem eiskalt kontrollierten, kapriziösen Spitzentanz in die Schattenhöllen der Danse d'ecole. …Cherkaoui dagegen ist Choreograf auf Weltversöhnungs-Mission. Er darf die Gefühlsseite von Marie und die zärtlich-verzweifelten Liebes-Pas-de-Deux gestalten, die umso herzzerreißender wirken, je finsterer die Tcherniakov'schen Visionen.« (SWR2)

Zum Ballett

Art: Ballett in 2 Akten
Libretto: I. A. Wsewoloshski (überarbeitet von M. Petipa und P. Tschaikowski) nach E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Nussknacker und Mäusekönig“ aus dem Zyklus „Die Serapionsbrüder“
Ort: Deutschland
Zeit: 18. Jahrhundert

Personen der Handlung

Der Nussknacker
Herr Stahlbaum und seine Frau
Klara und Franz, deren Kinder
Onkel Drosselmeier, ein Puppenmechaniker
Glockenspielfiguren: Harlekin, Columbine, Markedenderin, Soldat
Der Mäusekönig und seine Mäuseuntertanen
Der Prinz als entzauberter Nussknacker
Die Zuckerfee und weitere Feen
Die Bienenkönigin mit ihren Bienen
Schneekönigin und Schneekönig mit ihren Schneeflocken

Handlung

1. Akt:

Onkel Drosselmeier ist am Weihnachtsabend bei Familie Stahlbaum zu Besuch und hat für die Kinder Klara und Franz schöne Geschenke mitgebracht. Ein Glockenspiel mit vier lustigen Figuren, die einen wundervollen Pas de quatre tanzen, bereitet der Familie viel Vergnügen. Das schönste Geschenk hätte der Onkel fast vergessen auszupacken. Es ist ein Nussknacker, den er noch hervorholt und Klara überreicht. Franz versucht, ihn der Schwester wegzunehmen, wobei der Nussknacker auseinanderbricht. Vom handwerklich begabten Onkel repariert, nimmt Klara ihn und legt ihn in ihr Puppenbett, nachdem sie Franz versprochen hat, dass er auch damit spielen darf. Unter dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum feiern die Eltern mit den Gästen, aber für die Kinder ist es Zeit, zu Bett zu gehen.

Im Traum sieht die Welt anders aus als die Wirklichkeit, denn die kindliche Phantasie hat das Erlebte zu bewältigen. Die Erinnerungen an den schönen Weihnachtsabend werden buchstäblich lebendig und verformen sich für Klara gegen Mitternacht zu einem Albtraum. Der Nussknacker, von seinen Verletzungen geheilt, ist nicht mehr allein. Er besitzt eine Streitmacht von Pfefferkuchenmännern, die vom Mäusekönig und seinen Untertanen angegriffen werden. Klara klettert auf einen Stuhl, um sich selbst erst einmal in Sicherheit zu bringen. Mit ihren guten Wünschen steht sie auf der Seite des Nussknackers, der, von ihr angefeuert, die Schlacht gewinnt. Die guten Wünsche allein haben dazu allerdings nicht ausgereicht. Dem Mäusekönig musste sie ihren Schuh an den Kopf werfen, um ihn kampfunfähig zu machen. Mit einer brennenden Kerze jagt Klara das lichtscheue Mäusegesindel wieder in die unterirdische Kanalisation zurück.

SZENENWECHSEL

Der Nussknacker ist Klara unendlich dankbar und entführt sie ins Reich der Süßigkeiten. Alles ist nicht so einfach, und der Weg zur Belohnung ist mit einem Hindernis belegt. Ein Schneesturm kommt auf, und die Kinder und der Nussknacker verlieren die Orientierung. Von der Schneekönigin und dem Schneekönig zur Ordnung gerufen, müssen die übermütigen Schneeflocken ein Weilchen mit Spielen aufhören und die Kinder auf dem Weg ins Land der Süßigkeiten passieren lassen.

2. Akt:

Mit einem Boot ist das Ziel der weiten Reise erreicht. Die Zuckerfee ist die Herrscherin im Reich der Süßigkeiten. Über den Besuch der Kinder überaus erfreut, beginnt sie sogleich nach den silbrigen Klängen der Celesta vor Vergnügen zu tanzen. Doch was ist mit dem Nussknacker geschehen? Die mächtige Kinnlade ist verschwunden und ein strahlend schönes Lächeln ziert sein Gesicht. In Wirklichkeit ist er gar kein Nussknacker, sondern ein hübscher Prinz. Die Tanzkunst beherrscht er in vollendetem Maße und er freut sich, dass er nach all den Jahren der Verwandlung wieder ganz Prinz sein darf. Klara glaubt, er kenne die Zuckerfee schon länger und ist vielleicht sogar mit ihr verlobt.

Zur Begrüßung der Kinder bringt der Lakritzmohr zunächst erst einmal eine große Schale mit Naschwerk. Geleefrüchte und Marzipankartöffelchen finden sich auf dem Teller ebenso wie Pfefferminztaler und Lebkuchen. Die Haselnüsse können leider nicht probiert werden, weil der Nussknacker sich in einen Prinzen verwandelt hat.

Für die kindlichen Gäste sowie für die Besucher im Parkett und in den Logen hat die Zuckerfee sich zur Musik von Peter Tschaikowski ein Bildungsprogramm ausgedacht. Die Kinder wussten gar nicht, dass es so viele Länder auf dieser Erde gibt. Jedes Land hat unterschiedliche Musikinstrumente und eine individuelle Art, die Tanzkunst zu pflegen. Die Spanierin gibt sich feurig und die Kosaken gebärden sich besonders wild. In Arabien legt man Wert auf den eleganten Hüftschwung, während in China zur Bambusflöte getrippelt wird. Auch die Getränke bereitet man in jedem Land anders. In China schlürft man Tee, in Arabien Kaffee und in Spanien bevorzugt man Kakao aus den Kolonien.

Der Blumenwalzer führt ins Reich der Botanik. Er klingt ein bisschen abgeleiert, aber dafür bekommen die Kinder Blumen zu schauen, die es in Wirklichkeit nicht gibt, viel größer als Pfingstrosen. Unendlich verliebt tanzt der Prinz mit der Zuckerfee einen Pas de deux, worüber die Kinder ein bisschen in Vergessenheit geraten. Anschließend will er mit der Liebsten ein wenig schmusen, denn die beiden haben sich lange nicht gesehen. Was keiner weiß – der Librettist auch nicht - der Prinz war durch eine böse Hexe in einen Nussknacker verwandelt worden, weil er mit ihr nicht anbändeln wollte. Die Zuckerfee hatte das Nachsehen, weil die gewaltige Kinnlade beim Küssen Fleischwunden verursachte. Jetzt haben beide einen großen Nachholbedarf und die Kinder ziehen sich taktvoll zurück.

Die Bienenkönigin hat Mühe, ihre Bienen ins Körbchen zu bekommen, weil diese Honigkuchen naschen wollen, obwohl zu Hause in der Speisekammer genügend Honig aus eigener Werkstatt vorhanden ist. Damit die Zuschauer mit dem Bienenstachel nicht in Berührung kommen, fällt der Vorhang.


Letzte Änderung am 26.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen