Nikolai Nikolajewitsch Tscherepnin (1873-1945):
Der Pavillon der Armide / Le Pavillon d'Armide
Entstehungszeit: | 1905 |
Uraufführung: | 25. November 1907, Marijnskij-Theater, St. Petersburg |
Spieldauer: | ca. 67 Minuten |
Erstdruck: | Belaieff, 1908 |
Opus: | op. 29 |
Art: | Fantastisches Ballett in einem Akt |
Libretto: | Alexandre Benois nach der Novelle “Omphale” von Theophile Gautier |
Ort: | Frankreich |
Zeit: | etwa 17. Jahrhundert |
Armide: | Zauberin aus dem Morgenland |
Pawel: | Viconte de Beaugency |
Weitere: | Marquis de Fierbois, Teufel, Ungeheuer, Griechengötter, Sklaven |
Auftritte:
1. Introduktion und erste Szene
2. Tanz der Stunden
3. Der Gobelin belebt sich
4. Armida erscheint
5. Szene und Pas d’Action
6. Grande valse noble
7. Variation
8. Tanz der kleinen äthiopischen Sklaven
9. Tanz der Edelfrauen Armidas
10. Bacchus und die Bacchantinnen
11. Auftritt der Zauberer und Tanz der Schatten
12. Tanz der Clowns
13. Tanz des Schals
14. Pas de deux
15. Grande valse finale
Erstes Bild:
Von fliegenden Teppichen hat der Ballettbesucher schon gehört, aber ein verzauberter Gobelin - dazu noch in einem Ballett - ist ihm noch nicht vorgekommen. Ein solcher hängt im Gartenpavillon des Herrn Marquis. Ein junger Graf flüchtet vor einem schrecklichen Gewitter in das Gartenschlösschen und erlebt zu mitternächtlichen Stunde wahnwitzige Überraschungen der angenehmen Art.
Die Uhr schlägt Mittennacht und beginnt, sich ungewöhnlich zu verhalten. Die figürlich dargestellten Stunden steigen herab und beginnen zu tanzen. Der Auftritt nennt sich deshalb Stundentanz. Noch merkwürdiger benimmt sich der Gobelin. Er leuchtet auf, und geheimnisvolles Leben beunruhigt das Textil. Die Figuren verlassen ihren Stammplatz.
Zweites Bild:
In den Gärten des Pavillons erscheint Armida mit ihrem Gefolge. Sie hat ihren Lieblingssklaven dabei, ohne den sie nirgendwo hingeht. Der Marquis, dem der Pavillon gehört, hat die Magierin auf mysteriöse Weise unter Kontrolle und befiehlt ihr, von dem Sklaven abzulassen. Sie soll den Gast verführen, der sich mit seiner Billigung über Nacht dort einquartiert hat. Nun wissen wir aus den Opern von Gluck, Haydn, Rossini und Dvořák, dass Armida in den fränkischen Ritter Rinaldo verliebt ist. Die ihr zugewiesene Aufgabe vereinfacht sie, indem Sie mittels magischer Fähigkeiten das Aussehen von Rinaldo auf den Visconte überträgt. Dieser ist auf den Austausch seiner Optik mächtig stolz – blonde Haare schmücken jetzt sein Haupt; der Ballettbesucher möge seine Eitelkeit verstehen - und das Behexen und Verführen kann beginnen.
An dieser Stelle muss in den Report eingefügt werden, dass es sich bei der Armide auf dem Gobelin um die Seele von Susanne, der verstorbenen Marquise de Fierbois handelt, die am Hofe des Sonnenkönigs eine große Karriere machte. Ihre Seele findet keine Ruhe und hat sich in dem Gobelin festgesetzt.
Das Bacchanal nimmt Ausmaße an, denn zur Feier erscheinen auch Teufel, Ungeheuer und Griechengötter. Dazu wurden aus einem Harem Sklavinnen geraubt, damit für alle gesorgt ist und beim Klang der Harfen die Liebeslust überschäumen kann. Doch die Morgenstunde naht, und sobald der Hahn auf dem Misthaufen kräht, findet aller Spuk ein Ende. Das ist so in jedem Märchen und unabänderlich, Armide weiß es, und in aller Eile übergibt sie dem Geliebten der Nacht ihren golddurchwirkten Schleier, bevor sie ihren Platz auf dem Gobelin wieder einnimmt.
Drittes Bild:
Der Marquis erscheint im Pavillon zur späten Morgenstunde und findet einen völlig verstörten Gast vor. Der golddurchwirkte Schleier liegt vor der Standuhr auf dem Boden, und auf dem Gobelin zeigt Armida sich unverschleiert.
War es nun Traum oder Wirklichkeit? Der Visconte ist sich über seine Identität überhaupt nicht im klaren und fragt sich, ob er nicht tatsächlich Reinhold ist. Eigentlich hatte er die Reise angetreten, um seine Verlobte zu besuchen. Sollte er das in der Nacht Erlebte nicht doch besser für sich behalten?
Ursprünglich nannte sich das Stück „Der verzauberte Gobelin“ und bestand nur aus dem zweiten Bild. Diaghilew veranlasste die Erweiterung um zwei Bilder, um das Ballett abendfüllend zu machen.
Die Einfügungen haben den Charakter von Prolog und Epilog. Diaghilew eröffnete mit diesem Ballett seine erste Saison in Paris.
Letzte Änderung am 26.2.2017
Beitrag von Engelbert Hellen